Die Orte sind eng mit der historischen Entwicklung der Münchner jüdischen Gemeinde verbunden und verweisen auf die Bedeutung der jüdischen Bevölkerung für München als kulturelles Zentrum. Dabei wird auch die wechselhafte und zwiespältige Geschichte der Münchner Politik gegenüber der jüdischen Minderheit während der letzten Jahrhunderte greifbar. Einige Orte stehen in direktem Zusammenhang mit den NS-Verbrechen, mit Verfolgung und Deportation.

Es geht bei den künstlerischen Installationen nicht allein um die Darstellung von Leid und Gewalt, sondern vor allem um die daraus resultierende Konsequenz: um den entstandenen Verlust für jeden einzelnen Menschen, für die Gesellschaft, für das städtische Leben sowie für das Stadtbild.

Es fehlen der Nachbar, das Geschäft, der Onkel, der Schulfreund…
Es sind Lücken entstanden, die nicht mehr gefüllt werden können.

Marcel Odenbach macht exemplarisch einige dieser Lücken sichtbar. Seine künstlerische Arbeit will Löcher, Risse und Gedächtnislücken symbolisch wieder füllen. Ihm geht es um die Wiederherstellung der Aufmerksamkeit, um die Sensibilisierung für das Nicht-Mehr-Vorhandene. Er schafft Orte des Verweilens und der Reflexion, subjektive Mahnmale der Erinnerung.

Marcel Odenbach (Gesamtkonzept und Installationen), Studium der Architektur und Kunstgeschichte in Aachen, Professor an der Kunsthochschule für Medien in Köln.

Irit Hemmo (Installation Reichenbachstraße), Kunststudium in Indianapolis (USA) und Ramat Hasharon (Israel). Dozentin an der Bezalel-Akademie Jerusalem, lebt und arbeitet in Tel Aviv.

Stefan Römer (Installation Lenbachplatz), Künstler und Autor in den Bereichen Konzeptuelle Kunst und Kritik des öffentlichen Raums, Professor für Neue Medien an der Akademie der Bildenden Künste München.

Standorte und ihr historischer Kontext
Marienhof – die erste Synagoge der Münchner Juden

Die erste Synagoge lag um 1380 im Bereich des heutigen Marienhofes. Das Haus wurde nur kurze Zeit als
Synagoge genutzt, da die Münchner Juden immer wieder Verfolgungen ausgesetzt waren. 1442 wurden sie
aus der Stadt verbannt. Installation von Marcel Odenbach (Ecke Dienerstraße/Schrammerstraße)

Das Alte Rathaus – Münchner Politik und jüdische Minderheit
Im 19. Jahrhundert bewegte sich die Münchner Rathauspolitik zwischen rigiden Restriktionen einerseits und Anerkennung des jüdischen Emanzipationsprozesses andererseits. Am 9. November 1938 rief Joseph Goebbels im Alten Rathaus zum Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung auf. Installation von Marcel Odenbach

Westenriederstraße, Synagoge – die Anfänge der jüdischen Kultusgemeinde

Nachdem den Behörden kein günstiger gelegenes Grundstück abzuringen war, wurde die Synagoge in der
heutigen Westenriederstraße errichtet und 1826 in Gegenwart König Ludwigs I. eingeweiht. Nun hatte die
jüdische Gemeinde einen zentralen Bezugspunkt des Gemeindelebens. Als gleichberechtigter Teil der
Stadtgesellschaft war sie jedoch noch nicht anerkannt. Installation von Marcel Odenbach (Parkplatz, Westenriederstraße 10 – 12)

Herzog-Max-Straße, Hauptsynagoge –
Symbol für Aufstieg und Tragödie der jüdischen Gemeinde in München

Bei ihrer Einweihung 1887 stand die neue prächtige Hauptsynagoge für den Neuanfang der jüdischen Ge-
meinde als gleichberechtigter Teil der städtischen Gemeinschaft. 1938 fiel das Gebäude als erste Synagoge dem nationalsozialistischen Zerstörungswillen zum Opfer. Installation von Marcel Odenbach (Maxburgstraße)

Lenbachplatz 5 – David Heinemann, Gründervater einer Familie von Münchner Galeristen und Mäzenen

Die Familie Heinemann betrieb seit 1883 eine überaus angesehene Kunsthandlung, seit 1903 in einem ei-
gens für diesen Zweck von Emanuel Seidl errichteten Gebäude am Lenbachplatz. Über Generationen hin-
weg zeichneten sich die Heinemanns als wichtige Förderer der Münchner Kunstszene aus. 1938/39 wurde
die Münchner Galerie „arisiert“; die Familie Heinemann emigrierte und musste sich in Luzern eine neue
Existenz aufbauen. Installation von Stefan Römer

Baaderstraße 5, Kindergarten – Wohlfahrtsarbeit in der jüdischen Gemeinde

In der Baaderstraße hatte 1905 bis 1926 der erste jüdische Kindergarten mit Hort und Mädchenklub seinen
Sitz. Das Haus war damit ein wichtiges Zentrum jüdischer Wohlfahrtsarbeit in München und die Keimzelle
einer eigenen Jugendfürsorgeabteilung innerhalb des gemeindlichen Wohlfahrtsamtes. Installation von Marcel Odenbach
Reichenbachstraße 27, Synagoge – vom Gemeindezentrum der östlichen Orthodoxie
zum Symbol jüdischen Neuanfangs nach 1945

Die Synagoge der ostjüdischen Glaubensgemeinschaft, 1931 eingeweiht, wurde in der Pogromnacht 1938
verwüstet, aber aus Rücksicht auf die benachbarten Wohnhäuser nicht völlig niedergebrannt. Nach dem
Krieg wiederhergestellt, dient sie der Israelitischen Kultusgemeinde bis heute als Zentrum.
Installation von Irit Hemmo

Thierschstraße 7, „Judenhaus“ – der letzte Ort vor der Deportation

Die jüdischen Münchner wurden seit 1939 auf wenig Wohnraum zusammengedrängt. Ziel war die endgülti-
ge Separierung von der nicht-jüdischen Bevölkerung und die Vorbereitung der Deportation. Ein solches „Judenhaus“ befand sich in der Thierschstraße 7. Fast alle Bewohner wurden seit 1941 deportiert und in den Vernichtungslagern ermordet. Installation von Marcel Odenbach

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