Adel, Kapital, Kirchen und Militarismus: In den Monarchie hatten sie sich gut eingerichtet, moderne Kriege führbar und lukrativ zu halten. Nun ist auch die Parteien-Demokratie dafür instrumentalisiert.

Vor gut 100 Jahren

als die Leute auf den Denkmälern noch wie besondere Wesen verehrt wurden, und auch die Bischöfe und Pfarrer so taten, als hätten sie etwas göttliches: Die Grundlage für Arroganz und Missbrauch. Heute klingen Journalist*innen wieder mit Kniefall in der Stimme, weil ein Alter gestorben ist, „das ganze Volk trauert“: Gelogen. Noch nicht mal 10% sind traurig, aber die Nachricht bringt Aufmerksamkeit.

Drillanstalt Kurt Eisner 150 JahreKurt Eisner, Erster Ministerpräsident Bayerns

Auch, wenn die heutigen Reaktionäre immer noch sagen, er war nicht vom gesamten Volk gewählt: Er war in der Lage, das verfallene System am nicht enden wollenden Krieg zu benennen und starb später dafür: Die deutsche und vor allem preußische Kriegsschuld ist bis heute nicht von allen offen eingestanden, wird immer noch im Geschichtsunterricht sehr komplex diplomatisch umschrieben.

Kurt Eisner deckte als geborener Berliner die militaristischen Machenschaften in Adel und Monarchie auf, lebte den Sozialismus direkt. Er kannte als Journalist und Redakteur des Vorwärts die Strukturen des Deutschen Reiches und schrieb in verschiedenen Zeitungen darüber.

Gustav Landauer glaubte an Genossenschaften, Menschen

und das gemeinschaftliche Leben in Kommunen, sein „Aufruf zum Sozialismus“ und seine Idee der Anarchie sind in ihrer literarischen Art heute nicht mehr für alle leicht zu lesen: Er war ein Mann der idealistischen Literatur, zwischen Shakespeare und Räterepublik zu Hause.

Gustav Landauer war Schriftsteller, Anarchist, Anarcho-Pazifist. Er war Vordenker, Akteur sowohl nach der Novemberrevolution als auch bei der 2. Münchner Räterepublik ab 7.4.19 für 7 Tage als Volkskommissar für Volksaufklärung, wie man es statt Kultusminister sagen wollte.

Er glaubte, aus jüdischer Herkunft, an Bildung. Der alte Christen-Staat glaubte noch mehr an den „Stand“. Bis heute verankert im konservativ gegliederten Schulsystem, das im Klassenbewusstsein festgelegt ist, egal, was die Lehrkräfte persönlich sich bemühen oder versagen. Mit seiner zweiten Partnerin, Hedwig Lachmann, lebte er eine Zeit in England, sie starb im Februar 1918 an der Spanischen Grippe … was sein Leben in Krumbach zerstörte. Bis kurz nach der Revolution pflegte er noch seine Töchter … und ging dann, statt als Intendant nach Düsseldorf, auf Kurt Eisners Bitte, nach München, was ihm am Ende der Rätezeit das Leben kostete.

Erich Mühsam wollte die RäterepublikKain Erich Mühsam

und liebte die naturalistische Literatur, schrieb Gedichte und Artikel, nach der kaiserlichen Presse-Zensur in seiner eigenen Zeitschrift KAIN, diskutiert in Schwabing mit Franziska Reventlow, Johannes Nohl,  dem Arzt und Freud-Schüler und Psychoanalytiker Otto Gross,

Gemeinsam war ihnen, nach Besuchen am Monte Verita und von Anarchisten- und Sozialisten-Kongressen in der Schweiz, die Auseinandersetzung mit den Ideen der Lebensreform: Bewusste Ernährung, gesunde Kleidung und Freikörper-Kultur, Tanz, freie Liebe, neue Partnerschaften, Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse, Kunst …

Am 6.4.1919 war Erich Mühsam 41 Jahre alt geworden, am nächsten Tag konnte er Gustav Landauer zum 49. Geburtstag gratulieren: zum Beginn der anarchistischen Räterepublik in München.

Gleichzeitig wuchs in jungen Kreisen der Wandervogel – die Bündische Jugend, eine Vielfalt der freien Wanderjugend, die im Gegensatz zu den studentischen Burschenschaften bei den Treffen nicht rauchten und soffen,  und viele andere freie, kirchliche, künstlerische und sozialistische Jugendorganisationen

Die Feme-Morde der Hakenkreuzler

begannen ja schon mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, gingen weiter mit Kurt Eisner und Sonja Lerch(?) und trafen in der Niederschlagung der Widerstände in München an die Tausend Beteiligte, Passant*innen und Unbeteiligte. Die Freisprüche der Täter ermutigten zu weiteren Morden durch die Freikorps und dann SA und SS:

Vier Jahre politischer Mord

„Der Mathematiker und Statistiker Emil_Julius_Gumbel veröffentlicht 1922 ein Werk, das die junge Republik wie eine Bombe trifft. Er weist in seinem akribisch recherchierten Werk 380 politisch motivierte Feme-Morde seit dem Ende des 1. Weltkrieges nach. Dabei stellt er fest: Von den 358 Morden rechtsextremer Attentäter*innen werden viele nicht geklärt. Im Schnitt erhielten die Mörder Haftstrafen von vier Monaten. Wer aus «linker Gesinnung» gemordet hatte, wurde in zehn von 22 Fällen zum Tode verurteilt, der Rest waren lebenslange Haftstrafen. Diese Zahlen wurden vom Innenminister bestätigt.

Gumbels Recherche zeigte auf, wie einseitig das Weimarer Deutschland von Reaktionären und Völkischdenkenden geprägt war. Die SPD paktierte von Beginn an lieber mit Monarchisten, Konservativen und völkischen Kräften, als sich mit Sozialist*innen für eine Rätedemokratie einzusetzen. Sie ist maßgeblich für dutzende Massaker an Arbeitenden und zehntausende Tote verantwortlich: Innenminister Noske ordnete den Tod Luxemburgs und Liebknechts persönlich an. Was in Berlin geschehen, zog sich in München im Mai 1919 weiter. Nur mit Glück und dank wichtigen Fürsprechern entkamen Mühsam und die Pazifisten Toller und Gesell mit Festungshaft, statt dem Tode davon.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Julius_Gumbel (Auszüge)

20.10.1920 Magnus Hirschfeld in München niedergeschlagen

Der Begründer der Sexualwissenschaft in Deutschland, mit dem international angesehenen Institut in Berlin, Magnus Hirschfeld, hielt auch in München am 20.10.1920 einen Vortrag, anschließend wurde er von Hakenkreuzlern verfolgt und so brutal niedergeschlagen, dass im Krankenhaus „mit dem Schlimmsten“ gerechnet wurde. Am nächsten Tag konnte er in der Zeitung seine Todesanzeige lesen … https://magnus-hirschfeld.de und https://www.teenvogue.com/story/lgbtq-institute-in-germany-was-burned-down-by-nazis

Die Bücherverbrennung 6.Mai 1933 Berlin mit Goebbels-Rede https://youtu.be/kHCmiWaHUCw

Die Gleichschaltung 1934

zwang alle Jugendorganisationen und ihr Vermögen in die Hitlerjugend. Einige passten schon direkt von ihren arischen Grundgedanken, andere mussten sich von den befreundeten Mädchen- und Frauengruppen trennen, auch die Ulmer Hitlerjugend war noch bündisch inspiriert, was später zur Weissen Rose* weiter wirkte:

Die HJ-Fahne der Ulmer

zierte auch ein schmaler Wimpel der dj.1.11, den Hans Scholl dort angebracht hatte: Dieser wurde beim Reichsparteitag konfisziert. Nach: Jäger und Gejagte: Über den deutschen Widerstand im Dritten Reich und was aus Tätern und Opfern wurde; von Bernd Wohlgut

Eine andere verbreitete Methode der Gestapo war es, die Jugendlichen zu Kommunisten abzustempeln und sie auf dieser Grundlage zu verfolgen. Als „Beweis“ dafür diente der in vielen Bünden der 1920er und frühen 30er Jahre verbreitete Russenkult.

Fritz Bauer verfolgte nach dem Krieg die Nazi-Größen

auch gegen den Willen der Kollegen in der Staatsanwaltschaft und in den Ministerien. Eichmann brachte er nur über den Mossad zur Strecke ….

Benno Ohnesorg trug ein rotes Hemd

was ihn zur Zielscheibe eines Ost-Polizisten im westlichen Dienst machte, als die Schah-Proteste von dessen Helfern und der Berliner Polizei nieder geknüppelt wurden. Der Mord von hinten wurde lange vertuscht und es dauerte Jahrzehnte, bis sich ein Sprecher der Polizei dafür entschuldigen wollte.

Rudi Dutschke war ein Aufklärer der verschleierten Verhältnisse

und wurde in der BILD als Zentralfigur hingestellt, weil es in der Presse eben Zentralfiguren gibt … und sie nur in Chefs und Hierarchien denken können.

Ulrike Meinhof schrieb Gerichts-Reportagen.

Ihre Kritik der damaligen Heimerziehung ist bis heute in der Sparte richtungsweisend: Sie schrieb für verschiedene Zeitungen und aus Prozessen, was damals sonst meist nur „justiz-treue“ Leute machten

150 Jahre Gustav Landauer am 7.4.2020

 

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