Die Psychoanalyse hat in ihren Anfängen um 1900 das Bewusstsein zu Demokratie und Selbstbestimmung für alle BürgerInnen zu denken begonnen, was vorher Adel und gebildetem reichem Bürgertum vorbehalten war: Literatur, klassische Musik, Kunst, Theater der Opern-Art.

Die Revolution in München 1918 wurde auch dieser Art im Opernhaus gefeiert, Kurt Eisner war es ein Anliegen, wie vorher die Abschaffung des Adels in der Proklamation des Freistaates, was auch Volksstaat und Republik bedeuten sollte: Ohne eine Oberklasse mit Privi-Legien.

Adel, Kirchen und Militär hatten bis dahin wie Großbesitzer und Unternehmer im königlich genehmigten und kontrollierten Parlamentarismus eine „Erste Kammer“, auf die mehr gehört worden war, in Gesetzesvorschlägen, die auch die Abgeordneten der Steuer-Zahlenden Männer diskutieren durften.

Die Kirchen hatten in ihrem „Fischen nach priesterlichen Nachwuchs“ lange die einzige Chance geboten, durch Bildung einen Aufstieg in der Gesellschaft zu finden, dann das Militär für die Angepassten, und auch die Medizin mit den Fortbildungen zur Psyche:

Viele Medien tun sich bis heute schwer, den Spuren der Bildung in dieser Richtung zu folgen, und bald war der Missbrauch der Beeinflussung in der Werbung führend: Dass Frauen in der Öffentlichkeit rauchen durften, war die „Befreiung“ – und die Verdoppelung des Umsatz der Tabak-Industrie.

Wilhelm Reich hatte früh die Rolle der Psychoanalyse für die Gesellschaft erkannt und wurde dafür von der etablierten Kollegenschaft als Sozialist ausgeschlossen, man wollte lieber Anerkennung von den aufstrebenden Nazis. In diesem Kontext entstand der nun hörbare Text:

Wilhelm Reichs „Rede an den kleinen Mann“

(Auszüge) – Hörbuch kostenlos herunterladen und anhören

Gelesen von Felix Würgler.
Produziert im Dezember 2022 im Hörbuch-Tonstudio Berlin.
Ton und Schnitt: Berthold Heiland.
Auswahl und Zusammenstellung, Einleitung, Produktion und Regie: Andreas Peglau.
Covergestaltung: Jan Petzold. Klavier:
Andreas Gotthilf. Dauer: 50 Minuten.

Aus der Vorbemerkung:

1946 feierte Wilhelm Reich seinen 49. Geburtstag, publizierte die dritte Auflage seiner „Massenpsychologie des Faschismus“ und verfasste die ursprünglich nicht zur Veröffentlichung gedachte „Rede an den kleinen Mann“. Diese Rede sei, schrieb Reich, „ein menschliches, kein wissenschaftliches Dokument“, solle „niemand überzeugen, gewinnen oder erobern“. Er nehme für sich nur jenes Recht zur „persönlichen Äußerung“ in Anspruch, welches „man dem Dichter oder Philosophen nie bestritten“ habe. 

In der „Massenpsychologie“ hatte Reich festgehalten, dass Faschismus „im charakterlichen Sinne die emotionelle Grundhaltung des autoritär unterdrückten Menschen der maschinellen Zivilisation“ sei, somit nicht etwa als „spezifische Nationaleigenschaft der Deutschen oder Japaner aufgefasst“ werden dürfe.

Wer unterdrückender Erziehung und Sozialisation ausgesetzt sei, trage unvermeidlich schwerwiegende psychische Störungen davon, staue destruktives Potential in sich an. Dementsprechend schlussfolgerte Reich: „Man kann den faschistischen Amokläufer nicht unschädlich machen, wenn man ihn, je nach politischer Konjunktur, nur im Deutschen oder Italiener und nicht auch im Amerikaner und Chinesen sucht; wenn man ihn nicht in sich selbst aufspürt, wenn man nicht die sozialen Institutionen kennt, die ihn täglich ausbrüten.“

Die „Rede an den kleinen Mann“ ist also in allererster Linie eine Abrechnung mit den massenhaft erzeugten individuellen Persönlichkeitszügen, die jeder Art autoritärer Herrschaft notwendigerweise zugrunde liegen – und ein Versuch, aufzuzeigen, wie sich diesem Fluch entkommen lässt.
Genau das macht diese Rede so wichtig – und brandaktuell.   

https://andreas-peglau-psychoanalyse.de/wilhelm-reichs-rede-an-den-kleinen-mann-auszuege-hoerbuch-kostenlos-herunterladen-und-anhoeren/

 

 

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